Stürzt BioNTech Deutschland in die Rezession?
COVID-19 treibt Umsatzexplosion 2021 bei BioNTech an
Ein willkommener „Nebeneffekt“ der Covid-19-Pandemie war der Aufstieg des bis dahin eher unbekannten deutschen Biotech-Unternehmens BioNTech. Bekannt ist, dass es BioNTech in kürzester Zeit gelungen ist, einen wirksamen mRNA-Impfstoff zu entwickeln und zusammen mit Pfizer weltweit zu vermarkten. Auch der fulminante Höhenflug der BioNTech-Aktie dürfte kaum jemandem entgangen sein.
Weniger bekannt ist hingegen, dass das ungewöhnlich starke Umsatzwachstum von BioNTech 2021 sogar das deutsche Wirtschaftswachstum deutlich beeinflusst hat. So ist der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,6% gegenüber 2020 rein rechnerisch zu etwa einem Fünftel auf die Umsatzexplosion von BioNTech auf fast €19Mrd. zurückzuführen, ein in der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte wohl einmaliger Vorgang.
2023 bricht der BioNTech-Umsatz nun aber deutlich ein
Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass sich dieser Effekt natürlich auch umkehren kann, wenn die Umsätze wieder schrumpfen. Und genau das ist bei BioNTech nach dem (offiziellen) Ende der Corona-Pandemie der Fall. Im Vergleich zu 2022 dürfte sich der Umsatz von BioNTech im Jahr 2023 auf €5,5Mrd. mehr als dritteln. Dabei handelt es sich nicht um unsere eigene Prognose, sondern um die sogenannte Konsensschätzung, also die durchschnittliche Markterwartung. Die unternehmenseigene Guidance, die das BioNTech-Management selbst kommuniziert, geht sogar von einem noch stärkeren Umsatzrückgang auf €5Mrd. im Jahr 2023 aus.
Stürzt also ausgerechnet BioNTech Deutschland in die Rezession?
Unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus im ökonomischen Jargon) entspricht dieser Umsatzverlust von BioNTech einem negativen Effekt auf das deutsche Wirtschaftswachstum im Jahr 2023 von bis zu minus 0,33%. Zufall oder nicht: Fast exakt den gleichen Rückgang prognostiziert der Internationalen Währungsfonds für das BIP in Deutschland.
Oder zugespitzt und vereinfacht gefragt: Stürzt BioNTech Deutschland in eine Rezession?
Zwar vergleichen wir hier nominale Umsätze mit realen BIP-Größen. Der materielle Unterschied dürfte sich aber in der Wachstumsdifferenz in Grenzen halten. Zudem gehen wir davon aus, dass die BioNTech-Umsätze in Deutschland generiert werden und keine nennenswerten Vorprodukte abzuziehen sind.
Die Bundesregierung geht derzeit noch von einem Wirtschaftswachstum von plus 0,4 % aus. Allerdings stammt diese Prognose aus dem April 2023.
Und zum Schluss noch eine Klarstellung
BioNTech ist selbstverständlich nicht verantwortlich für die zahlreichen derzeit diskutierten Strukturprobleme in Deutschland. BioNTech ist vielmehr eine der zu wenigen Innovationserfolgsgeschichten dieses Landes. Aber die Mechanik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gilt für jedes Unternehmen in allen Jahren gleichermaßen – unabhängig vom Vorzeichen.
Die tiefer gehende Frage im Anschluss lautet allerdings: Wie zeitgemäß ist eine in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelte Wertschöpfung bzw. Wachstumsrate, die durch das Auftreten einer vielfach tödlichen Pandemie begünstigt, durch deren mühsam erkämpfte Beendigung aber gebremst wird? Auch wenn die Kritik am BIP als Wohlstandsindikator nicht neu ist, so hat sich bis heute an seiner überragenden Dominanz in praxi sehr wenig geändert.
